Himmelsthür Dem Himmel so nah!
Dem Himmel so nah!

Geschichte

„Himmelsthür“ tritt namentlich erstmals im Kontext der Errichtung des Hildesheimer Michaelisklosters durch Bischof Bernward von Hildesheim in Erscheinung. Aus dem Jahr 1022 sind drei Urkunden überliefert, in denen es um die Besitzverhältnisse des Klosters kurz vor Bernwards Tod geht. Sie unterscheiden sich deutlich voneinander im Umfang der nach Orten aufgelisteten Güter. Daher geht man heute davon aus, dass es sich bei zwei Urkunden um nachträgliche Fälschungen des 12. Jahrhunderts handelt, die zurückdatiert worden sind. Himmelsthür taucht zum Glück in der für echt gehaltenen Urkunde Kaiser Heinrichs II. auf. Damit gilt die Ersterwähnung im Jahr 1022 anders als etwa bei Barienrode, das in den Fälschungen auftaucht, als gesichert.

Die erste urkundliche Erwähnung Himmelsthürs

… rührt vom 3. November 1022 her und ist mit Bischof Bernward von Hildesheim und dem nördlich des Domes gelegenen Benediktinerkloster St. Michael verbunden. Das Schreiben entstammt einer Phase, in der Bernward kurz vor seinem Tod darum bemüht war, sein Werk zu vollenden. Es handelt sich um ein von ihm erwirktes Schutzdiplom des Kaisers Heinrichs II., der alle von Bernward übertragenen Besitzungen bestätigt. Nach dieser in lateinischer Sprache verfassten Quelle befanden sich unter den nach Orten aufgelisteten Gütern des Klosters
auch sechs Hofstellen mit dazugehörigem Ackerland in Himmelsthür.

Das Michaeliskloster verfügte über einen großen Wirtschaftshof in Himmelsthür, der im Bereich der heutigen Mehrfamilienhäuser „An der Beeke“ lag. Die noch erhaltenen Torpfeiler des Klosterhofes an der Silberfinderstraße sind mit Reliefs des heiligen Bischofs Bernward und des heiligen Erzengels Michael verziert.

Das Himmelsthürer Wappen

… geht auf das Siegel des Adligengeschlechts derer von Himmelsthür zurück, das in Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts auftaucht. Am 9. April 1373 bezeugte ein gewisser Hermann von Himmelsthür den Verkauf eines Grundstücks an das Hildesheimer Sülte-Stift. An der noch erhaltenen Urkunde ist das Familiensiegel befestigt, dessen Hirschgeweih-Motiv zur Vorlage des Himmelsthürer Ortswappens im 20. Jahrhundert wurde. Bei dem Geschlecht derer von Himmelsthür handelte es sich um führende Mitarbeiter des Hildesheimer Bischofs.

Der Ortsname

… lautet in der in mittelhochdeutscher Sprache verfassten Urkunde Hymdesdore. Diese Form ist eine Entwicklungsstufe von Hemethesdoron im 11. Jahrhundert bis zum heute gebräuchlichen Himmelsthür, das sich ab dem 17. Jahrhundert durchgesetzt hat. Sprachforscher meinen, dass der Name auf die althochdeutschen Wörter für Schutzwehr (hameide) und Tor (duru) zurückgeht und sich möglicherweise auf eine
ehemalige Landwehr vor Hildesheim bezieht.

15./16. Jahrhundert

Aus der Zeit von Reformation und Gegenreformation (15./16. Jahrhundert) stammen die ältesten Zeugnissen des kirchlichen Lebens in Himmelsthür. Dazu gehören der im Krieg zerstörte Taufstein von 1599, der zumindest bildlich überliefert ist, und ein altes Messbuch, das heute im Besitz der Dombibliothek ist. Aus Quellen des 17. Jahrhunderts geht hervor, dass Himmelsthür im Mittelalter über ei­ne der Hl. Juliana geweihte Kapelle verfügt und zu den heute nicht mehr existierenden Pfarreien St. Nicolai in der Dammstadt sowie später St. Margarethen auf dem Moritzberg gehört haben soll. Selbst­ständige Pfarrei wurde die Kirchengemeinde erst im Jahr 1661. Aus der Zeit der Reformation gibt es nur Einzelzeugnisse für eine Verbreitung von Luthers Lehre in Himmelsthür. Auch aufgrund der gegenrefor­matorischen Maßnahmen der Hildesheimer Fürstbischöfe ist Himmelsthür bis ins 20. Jh. überwiegend ka­tholisch geblieben.

17. Jahrhundert

Die älteste noch erhaltene Karte Himmelsthürs stammt aus dem Jahr 1693. In dieser ist die Lage des Ortskerns zwischen der heutigen Bundesstraße 1 und dem Linnenkamp deutlich zu erkennen. Die Straßenzüge, die durch den besiedelten Bereich führten, waren die Obere und Untere Dorfstraße. Zentrum des Orts war ein kleiner Platz an der heutigen Altenau, an dem damals auch die St. Martinus-Kirche lag. Heute erinnert noch ein Prozessionskreuz an den ehemaligen Standort der Kirche. Aus der Urkunde vom 30.3.1661, in der Bischof Maximilian Heinrich die Kapelle zur selbstständigen Pfarrei erhob, geht hervor, dass ein ausreichend großes Kirchengebäude mit Glockenturm und ein Friedhof vorhanden waren. Die seit dem Mittelalter bestehende enge Verbindung mit dem Hildesheimer Michaeliskloster wurde dadurch bestätigt, dass Mönche des Klosters vom Bischof mit der Seelsorge in Himmelsthür beauftragt wurden.

18. Jahrhundert

Im 17. und 18. Jahrhundert erwarben reiche Hildesheimer Bürger Grundbesitz in Himmelsthür und errichteten darauf zum Teil stattliche Herrenhäuser. Einer davon war Joachim Lüdgers, ein hoher Beamten in der fürstbischöflichen Regierung. Den Eingang zu seinem Grundstück zierte ein Torbogen, an dessen Innenseite Himmelsthürs älteste noch erhaltene Inschrift zu lesen ist. Heute handelt es sich dabei um das Portal des Caritas-Wohnheimes „Haus am Weiher“ in der Silberfinderstraße. Der lateinische Text der Inschrift lau­tet: J. LÜDGERS POSUIT A(NN)O 1712 (J. Lüdgers hat (diesen) im Jahre 1712 errichtet). Den an der Unteren Dorfstr. gelegenen Hof der Familie Lüdgers gibt es heute nicht mehr. Zu Herrensitzen wurden in dieser Zeit auch der “Bernwardshof” der Familie von Sierstorf, deren Mitglieder ebenfalls leitende Funktionen in der Bistumsverwaltung innehatten, und der “Kokenhof” des Hildesheimer Stadtrats Erich Ludolf Koken ausgebaut. Im Jahr 1788 wurde auf dem Klosterhof des Michaelisklosters das Herrenhaus des Verwalters fertig gestellt.

19. Jahrhundert

Im Zuge der Säkularisation endete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die gemeinsame Geschichte Himmelsthürs mit dem Hildesheimer Kloster St. Michaelis, welches aufgelöst wurde. Die Pfarrer der Martinus-Gemeinde waren nun nicht mehr Patres des Klosters. Der Grundbesitz, der bisher vom Klosterhof bewirtschaftet oder verwaltet worden war, ging an die Klosterkammer über. Dabei hatte die Martinus-Gemeinde noch im Jahr 1747 ein neues Kirchengebäude am heutigen Standort an der Schulstraße erhalten. Die Kirche wurde mit einem barocken Hochaltar und reichlichem Inventar an Skulpturen und Gemälden ausgestattet. Auch der Eingang zur Sakristei an der Ostwand wurde besonders gestaltet: Über der Tür finden sich Skulpturen des Hl. Bernwards und des Hl. Michaels, die die enge Verbindung der Kirche zum von Bernward gegründeten Hildesheimer Michaeliskloster dokumentieren, sowie das Wappen des Abtes Ludwig Hatteisen, der laut Inschrift die Kosten für den Bau des Ostchores getragen hat. Die Martinus-Kirche wurde im 2. Weltkrieg zerstört und verlor dadurch ihre barocke Ausstattung. Das Portal ist aber noch erhalten und ziert heute den Eingang zur Sakristei im Innenbereich.

Die Industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts wurde in Himmelsthür vor allem durch den Bau der Bahnstrecke spürbar. Am 15.9.1853 nahm die königlich-hannöversche Staatseisenbahn die Strecke Hildesheim – Nordstemmen in Betrieb. 50 Jahre später gab es sogar konkrete Pläne für den Bau eines Haltepunktes zwischen den Bahnübergängen an der Oberen Dorfstr. und im Krugfeld. Diese wurden aber wieder ver­worfen, weil Pastor Isermeyer, der damalige Leiter des angrenzenden “Frauenheimes”, befürchtete, dass dies für die Bewohnerinnen eine unkontrollierbare Fluchtmöglichkeit sein könnte. Himmelsthür selbst entwickelte sich zwar erst hundert Jahre später zu einem Industriestandort. Dadurch, dass aber immer mehr Him­melsthürer in den neuen Hildesheimer Fabriken arbeiteten, änderte sich die Sozialstruktur des Ortes. Die Einwohnerzahl stieg; die Bevölkerung lebte nicht mehr ausschließlich von der Landwirtschaft. Handwerksbetriebe und Geschäfte des täglichen Bedarfs entstanden.

Verschiedene soziale Einrichtungen entstanden in Himmelsthür in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.  Eine davon war die sogenannte „Corrigenden-Anstalt“, die im Jahr 1875 in das Gebäude des Ordens der Salesianerinnen im Krugfeld eingezogen war. Hier sollten weibliche Sträflinge nach verbüßter Haftstrafe resozialisiert werden. Diese Einrichtung wurde später als „Lindenhof“ in die „Isermeyerschen Anstalten für heimatlose Frauen“ integriert, die im Jahr 1887 den ehemaligen Kokenhof erwarben und sich dort niederließen. Daraus gingen später die Diakonischen Werke hervor. Als weitere soziale Einrichtung wurde 1904 der Bernwardshof von den Vinzentinerinnen als Heim für elternlose und straffällig gewordene Kinder gegründet. Im 19. Jh. entstanden auch mit dem Männergesangverein „Eintracht“, der Feuerwehr sowie den Ortsverbänden des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins und des Katholischen Deutschen Arbeitervereins die ersten Himmelsthürer Vereine. Gaststätten wie der „Silberfund“ oder später der „Osterberg“ gewannen dadurch an Bedeutung als Versammlungsorte.

20. Jahrhundert

Die Zeit der Weltkriege endete für Himmelsthür im März 1945 mit den wohl schwärzesten Stunden seiner Geschichte. Als einziges Dorf in der Umgebung Hildesheims wurde es weitgehend zerstört: Von den 224 Häusern wurden 185 überwiegend stark beschädigt, nur 39 blieben unversehrt. Manche Gebäude wie das Pfarrhaus oder die Gebäude der katholischen Schule in der Schulstraße wurden sogar so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass sie abgerissen werden mussten. Im heutigen Ortsbild erinnert nichts mehr an diese Zeit. Das Bild der zerstörten St. Martinus-Kirche oder des Klosterhofes und die Liste der Gefallenen am Ehrenmal, das bereits nach dem 1. Weltkrieg errichtet worden war, lassen das Ausmaß der Katastrophe und das Leid der Bevölkerung erahnen. 56 Männer des Dorfes sind als Soldaten gefallen, viele kamen erst nach Jahren der Gefangenschaft zurück. Auch in der Heimat verloren mindestens 10 Menschen durch Kriegseinwirkung ihr Leben.

In der Nachkriegszeit stieg die Einwohnerzahl Himmelsthürs von knapp 2400 im Jahr 1939 auf über 3000 im Jahr 1950 sowie bis 1960 auf knapp 5500 rapide an. Unter den Neubürgern waren viele Heimatvertriebene aus den deutschen Ostgebieten, die zunächst bei der Wohnbevölkerung, im Frauen­heim, auf dem Bernwardshof oder in Barackenlagern auf dem Klosterhof und in der Wilhelmstr. untergebracht wurden. Ab 1951 wurden auf dem sogenannten Mühlenacker in dem Dreieck zwischen Hoher Turm, Krugfeld und Breslauer Str. die ersten 48 Reihenhäuser für Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten gebaut. Die Straßennamen Königsberger Str., Danziger Str., Liegnitzer Str., Posener Weg, Oppelner Str. und Breslauer Str. erinnern an die Heimat der Menschen, die hier ihr neues Zu­hause gefunden haben. Mit den Vertriebenen nahm der Anteil der protestantischen Bevölkerung so stark zu, dass im Jahr 1956 eine evangelische Kirchengemeinde gegründet und mit dem Bau der Pauluskirche begonnen wurde.

In den 60er Jahren begann mit der Gründung der „Kreismittelschule“ (1962), der heutigen Realschule, der Ausbau des Schulstandortes Himmelsthür. Zuvor hatten schon die katholische und evangelische Volksschule ein neues Gebäude in der Danziger Str. bezogen. Ende der 60er Jahre kam dann noch das Gymnasium in Trägerschaft des Landkreises Hildesheim hinzu. Der Ort selbst wurde durch die Bebauung des Knüppelbrinks erweitert. Die Bevölkerungszahl stieg weiter auf knapp 6800 Bürger/-innen im Jahr 1973 an. Damit einher ging der Ausbau der Infrastruktur. So wurden der Kindergarten im Posener Weg und das AWO-Altenheim in der Wilhelm-Raabe-Straße errichtet. Rund um die Hildesheimer Straße und die Carl-Zeiß-Straße entstanden Gewerbegebiete, in denen die Gemeinde eher kleinere Spezialbetriebe aus verschiedenen Branchen ansiedelte. In der Schulstraße ließ sich mit der Firma Kerapid ein bundesweit handelnder Fachbetrieb für die Ausstattung von Bädern nieder. Die Gewerbesteuereinnahmen sorgten auch für einen finanziellen Aufschwung.

Anfang der 70er Jahre wurde zwischen Schulstraße und Linnenkamp das Baugebiet Salzwiese erschlossen mit dem Salzteich als Regenrückhaltebecken und besonderem Anziehungspunkt. Die Martinus-Gemeinde errichtete in dem Baugebiet einen katholischen Kindergarten, der im Jahr 1974 seinen Betrieb aufnahm. Parallel dazu lief die Bebauung des ehemaligen Klosterhofes. „An der Beeke“ mit mehrgeschossigen Wohnblöcken, darunter zwei Hochhäusern mit acht Stockwerken. Die Gebäude wurden zum Teil aus Bundesmitteln finanziert und für Bundeswehrangehörige bereitgestellt. Himmelsthür bildete in dieser Zeit mit Emmerke sowie Klein und Groß Escherde die Samtgemeinde „Güldener Winkel“. Dieser Zusammenschluss, mit dem man die Eingemeindung in die Stadt Hildesheim verhindern wollte, war jedoch nur von kurzer Dauer. Denn schon drei Jahre nach ihrer Gründung beschloss der niedersächsische Landtag die Auflösung der Samtgemeinde und die Eingemeindung Himmelsthürs zum 1.3.1974. Damit endete die kommunalpolitische Selbstständigkeit des Ortes.